Mipaka

Das hier ist jetzt kein normaler Blogeintrag, sondern eigentlich ein Artikel für die SpigelBild aber er passt auch hier rein. Und - um ein bisschen Werbung zu machen - wenn euch die Zeitung interssiert, (es sind noch mehr ähnlich Artikel darin wie meiner) kann ich es veranlassen, dass ihr die Zeitung bekommt, schreibt mir einfach eine E-Mail) Oder schaut sie euch im Internet an:


http://spiegel-bild.org/

 


In dem Artikel geht es um Grenzen (Kiwahili: Mipaka)

 

Seit 48 Stunden rattern wir jetzt  mit einem klapprigen  lauten Zug  durch Afrika. Neben den Schienen stehen oft Kinder, schreien und winken. 

In Tansania haben sie "Naomba kopa", was so viel heißt wie, „Ich bitte um eine Dose“ gerufen. Die Leute aus dem Bus werfen ihnen leere Plastikflaschen zu. 

Heute Nacht haben wir Tansania verlassen und die Grenze nach Sambia überquert. Die Landschaft hat sich kaum verändert, die Kinder auch nicht, nur verstehe ich ihre Sprache nicht mehr. Außerdem kann man plötzlich nicht mehr mit tansanischen Schilling zahlen, sondern nur noch in sambischen Kwacha, die irgendwie nichts wert zu sein scheinen. 

Seit vier Monaten bin ich   jetzt in Tansania und mache einen Freiwilligendienst  in einer Einrichtung für Kinder und Jugendliche. 

Wobei ich im Moment Ferien habe und mein Mitfreiwilliger und ich beschlossen haben noch was anderes von Afrika sehen zu wollen.  

Mein Zuhause in Dar es Salaam  ist für euch wohl eine völlig fremde und auch noch für mich unbegreifliche Welt, in der ich mich aber trotz allem sehr wohl fühle. 

Im Nahmen von Spiegel-Bild habe ich mich hier auf die Suche nach Grenzen gemacht und möchte euch mein neues Bild von Tansania und Afrika, das vorher – wahrscheinlich ähnlich wie das eure - von Schreckensnachrichten aus den Medien und romantischen Geschichten aus Kinderbüchern geprägt war, etwas näher bringen. 

Also wie gesagt, eine Grenze habe ich heute Nacht überquert aber Landesgrenzen, wollte ich eigentlich nicht „suchen" gehen. Als ich vor knapp einem Jahr in meinem Motivationsschreiben für meine Bewerbung  geschrieben habe, dass ich meine persönlichen Grenzen austesten will, was meinte ich damit eigentlich? 

Und was sollen das für Grenzen sein?  Ist eine Grenze nicht eigentlich nur eine Trennlinie zwischen zwei Unterschieden?Was meint man damit, wenn man sagt, dass man an seine Grenzen geht oder diese sogar überschreitet? Ich meinte wohl so etwas, wie „psychische Belastungsgrenzen", „Ekel-oder Angstgrenzen" oder wollte ausprobieren, wie weit mein Mut reicht.  

Im August dieses Jahres bin ich ganz offen für Neues und voller Erwartungen mit dem Flugzeug auf dem Julius-Nyrerere-Flughafen von Bongo-Town ("Gehirnstadt", wie die Tansanier ihre größte Stadt des Landes nennen) gelandet. Ich hatte ziemlich Angst vor Überfällen, fremden Menschen mit ungewohnten Absichten,  Krankheiten, zu fremd und anders zu sein um Freunde zu finden und Spaß zu haben, meine Familie und Freunde in Deutschland zu sehr zu vermissen, Kiswahili nicht sprechen zu lernen, im Projekt zu versagen. Mittlerweile haben sich die ganzen Ängste irgendwie in Luft aufgelöst. Lediglich vor dem Verkehr habe ich noch Respekt. Auch wenn ich hier jetzt aus dem Zugfenster schaue, sehe ich alle paar Kilometer zerknüllte und ausgebrannte Eisenbahnwagons liegen. Auch auf dem Straßen in Dar kommt es ständig zu üblen Unfällen mit vielen Toten und Verletzten. Kürzlich starben ganz in der Nähe von meinem Arbeitsplatz ca. 20 Menschen bei einem Zusammenstoß von einem Lastwagen mit einem Bus. Viele Tansanier rennen, sobald sie so was hören, dort hin um es sich anzuschauen, ich wollte  nicht. Mir haben die Schauergeschichten von abgetrennten Köpfen wirklich gereicht! Überfallen wurde ich noch nicht, wobei das auch öfters vorkommt.  

Immer mal wieder werde ich gewarnt, ich solle meine Tasche jetzt gut festhalten, oder das Busfenster zuschieben, wenn ich mein Handy aus der Tasche hole. Weil mir aber noch nichts dergleichen passiert ist habe ich auch keine Angst mehr davor. Genauso mit den Krankheiten. Einmal war mir etwas schlecht und ich hatte Durchfall aufgrund von schlechtem Essen wahrscheinlich (vielleicht unzureichend gewaschenes Gemüse), aber das habe ich schon fast wieder vergessen. Ich werde auch immer unvorsichtiger, esse ganz ungewaschenes Gemüse das man durch das Zugfenster kaufen kann, störe nicht mehr an verdeckten Klos, sprühe mich nur noch selten mit Insektenspray ein und mische mich auf engsten Kontakt unter Kinder. Außerdem ist Malaria auch nicht so schlimm, wie es sich anhört. Wieso sollte ich Angst haben und mich anders verhalten? Oder bin ich so anders als die Tansanier?  

Wo ist eigentlich die Grenze zwischen mir und den Tansaniern? Sie ist definitiv da, es gibt Unterschiede, auch wenn mich das manchmal ganz schön stört. Es gibt Tage, da wünsche ich mir, die Sonne würde meine Haut genauso dunkel färben, wie die der Tansanier. Es nervt mich, immer angestarrt zu werden und „Mzungu“- „Weißer") hinterher gebrüllt zu bekommen oder mit "How are you?" begrüsst zu werden obwohl mir mittlerweile das Kiswahili flüssiger über die Lippen kommt als Englisch. Ich habe keine Lust aufzufallen und dumm angeschaut zu werden. Diese "kulturelle Grenze" existiert einfach und dagegen lässt sich auch nur bedingt etwas machen. Ich sehe anders aus, ich verhalte mich anders, ich glaube nicht an Gott, bezeichne nicht sofort jeden Dahergelaufenen als "meinen Freund", bin vollkommen anders aufgewachsen, habe daher zu vielen Themen eine andere Einstellung und bin mir bewusst, dass ich nach 13 Monaten wieder nach Deutschland zurück kehren werde, nehme viele Dinge anders wahr bzw. verstehe auch vieles einfach nicht. Ich versuche mich - so weit es eben möglich ist und ich es für richtig halte - mich zu integrieren und anzupassen und bei diesem Versuch die tansanische Kultur von innen kennenzulernen. Bereitwillig lasse ich mir Spiele, Tänze Lieder, Kochen, wie man sich einen Kanga umbindet und natürlich Kiswahili beibringen. Ich habe gar keine Lust mit anderen Europäern hier in Tansania in Kontakt zu kommen. Ich will mich dieses Jahr ganz auf diese Kultur und ihre Leute konzentrieren. Manchmal stört mich eine ganz andere Grenze, nämlich die Zeitbegrenzung meines Freiwilligendienstes. Nur noch neun Monate bleiben mir um alles zu sehen, zu lernen und auszuprobieren, was ich möchte. Manchmal aber würde ich gerne diesem ganzen Chaos und unverständlichen Geschehnissen entfliehen und nach Deutschland zurückkehren. Es gibt viele Dinge, bei denen ich denke, dass sie sicherlich geordneter ablaufen könnten. Warum ist bei uns im Office immer so ein Durcheinander, dass ich den halben Tag mit suchen beschäftigt bin, obwohl wir ständig am Aufräumen sind? Warum sind die Buntstifte abgebrochen, die Spitzer verschwunden, wie auch die Deckel der Filzstifte, warum wird alles immer dreckig und wohin verschwinden die Armbänder, die wir eigentlich verkaufen wollen? Machmal habe ich das Gefühl, dass mich keiner verstehen will, selbst wenn es um Probleme geht, die nicht nur meine sind. Aber auch ich selbst gewöhne mich an viele dieser Probleme, um die sich niemand kümmern will. Der Müll auf den Straßen, der Gestank, wenn dieser gerade dort verbrannt wird oftmals neben spielenden Kindern, der Stau, der nicht alleine für die Unpünktlichkeit meiner Kollegen zuständig ist, das ewig gleiche Essen, wobei man doch echt mal was anderes kochen könnte, ist ja nicht so, dass hier nur Mais, Reis und Bohnen wachsen... 

Aber diese Dinge und Veränderungen scheinen nicht willkommen zu sein. Diese "Fremdheit" vor der ich, bevor ich  hier hergekommen bin, Angst hatte ist nichts Schlechtes oder gar Gefährliches. Die Menschen sind unglaublich freundlich zu mir und scheinen sich zu freuen sich mit mir zu unterhalten und zu diskutieren. Zum Beispiel glauben die meisten an Gott und können nicht verstehen, dass ich nicht an ihn glaube. Das nimmt mir niemand übel, weil mir hier niemand irgendwas übel nehmen würde (zumindest fühlt e s sich so an). Aber ich bekomme dann solche Fragen gestellt, wie: "Ja und wie lebst du dann?", "Wer hat denn dann die Welt erschaffen?", "Woher kommt das Wasser im Meer?" oder:  "Wer hat entschieden, dass der Himmel blau ist?" Leider kann ich das noch nicht so gut auf Kiswahili erklären... 

Von meinen Kollegen im Projekt wurde ich sehr freundlich aufgenommen und ohne mich groß mit ihnen verständigen zu können, habe ich mich von Anfang an sehr wohl unter ihnen gefühlt Sie bezeichnen sich auch selbst als meine Freunde. Im Gegensatz zu vielen, die ich zum ersten Mal auf der Straße treffe, die unbedingt meine Handynummer haben wollen, da wir ja so gute „Freunde"wären. Es scheint einfach cool zu sein eine Mzungu als Freund zu haben oder besser als feste Freundin oder noch besser  gleich  als Frau.  Ich bekomme täglich Heiratsanträge und Liebsegeständnisse. Das lauft dann immer so ab: "Können wir mal kurz reden?"  Dann weiß ich eigentlich schon immer , was jetzt kommt. Ich werde dann hinter eine Hausecke gezerrt und bekomme erzählt,wie sehr er mich denn lieben würde, dass sein Herz weh täte, wenn ich nicht da wäre warum ich ihn denn nicht lieben würde. Das kann manchmal ganz schön anstrengend  sein, vor allem, weil es in letzter Zeit immer häufiger vorkommt. Ich weiß nicht, was sie sich davon erhoffen... Außerdem scheine ich etwas Verständigungsprobleme zu haben. Nicht so sehr bei der gesprochenen Sprache, sondern eher bei der Körperspache und Bedeutung von Wörtern. "Nein" zum Beispiel scheint nicht "Nein" zu heißen, sondern eher "Gib ja nicht auf". Aber was bedeutet dann "Nein"?  

Einerseits ist t es ja ganz schön so umschwärmt zu sein und viel Aufmerksamkeit zu bekommen andererseits ist es extrem anstrengend. Nach einem Tag mit 8-10stunden im Projekt, wo immer Kinder an mir dranhängen und irgendwas von mir wollen, sodass ich nie meine Ruhe habe nachzudenken, ist es mir oft zu viel , mich der Arbeit noch mit solchen Dingen zu beschäftigen. Mein Handy klingelt ununterbrochen und so viele SMS wie hier habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht bekommen.  Allgemein wird hier sehr viel mit dem Handy kommuniziert. Es ist allgegenwärtig überall klingelt es, die Leute telefonieren, schreiben SMS, hören Musik, spielen Spiele, schicken Geld hin und her und die meisten haben nicht nur ein Handy in der Hosentasche sondern mindestens 2. 

Ich bin ganz froh, dass hier in Sambia meines nicht funktioniert und hatte jetzt auf der Zugfahrt mal ein bisschen Ruhe zum Nachdenken und für diesen Artikel gefunden. Noch immer holpert der  Zug durch eine Landschaft, die jetzt immer grüner und fruchtbarer wird. Die Häuser, an denen wir -recht selten – vorbeifahren, sehen aus wie aus dem Indianermuseum. Irgendwie ist  das alles unwirklich und unecht, ich kann es gar nicht so ganz glauben, wo ich bin. Hier bin ich unvermeidlich wieder Tourist, was ich ja eigentlich nicht sein will. In Ubungo und meinem Projekt fühle ich mich dafür zu hause und nicht mehr fremd. 

Alles in allem glaube ich, dass ich einfach viel Glück mit meinem Projekt hatte und daher noch nie ernsthaft an meine Grenzen gekommen bin. 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    CO JE SEO (Dienstag, 24 April 2012 19:30)

    good post

  • #2

    u=3764 (Samstag, 04 Mai 2013 14:40)

    This is a great article! Thank you for sharing!