Nafundishwa utamaduni wao

(„Mir wurde ihre Kultur beigebracht“, heißt die Überschrift auf Deutsch. Ein Zitat von Oliver: „Nikufundishe utamaduni wetu?“, also: „Soll ich dir unsere Kultur beibringen?“ )


Für einige Tage bin ich mit meinem Arbeitskollegen Oliver nach Mtwala, seinem kleinen Heimatsort am Meer im Süden von Tansania gefahren. Dort habe ich seine vielen Geschwister kennen gelernt, Tanten, Onkels und sonstige Verwandten. Außer viele Leute zu begrüßen und Mangos zu essen, hatten wir nicht so viel zu tun. (Was nicht heißen soll, dass uns langweilig gewesen wäre. Hier in Tansania war mir noch nie langweilig!) Ich hatte viel Zeit ihn auszufragen, verstehe sein Kiswahili ziemlich gut und habe daher sehr viel über seine „Kultur“ – wie er es nennt – gelernt. Was ich sehr spannend fand, war wie er mir erzählt hat, wie er beschnitten wurde. Fast jeder männliche Tansanier ist anscheinend beschnitten, bei den Frauen ist es mittlerweile verboten und die Eltern werden auch hart bestraft, wenn sie ihre Tochter beschneiden lassen. Allerdings geschieht es immer noch ab und zu.

Jeder Junge weiß, dass er irgendwann (ca. im Alter von elf bis vierzehn Jahren) beschnitten wird und dass es weh tut, weil es ganz ursprünglich praktiziert wird – ohne Betäubungsspritze und man bis zu einem Monat eine schmerzende Wunde hat. Daher haben die Jungs ziemlich Angst davor und es wird ihnen nicht verraten, wann genau es passiert, nicht mal am Tag selbst. Wenn der Tag gekommen ist, dann wird dem Jungen von einer Vertrauensperson eingelullt, ihm wird erzählt, dass sie schöne Kleider kaufen gehen, oder in Olivers Fall, dass sie bei Verwandten vorbeischauen und ganz viele Früchte abholen. Also sind Oliver, sein nur wenig jüngerer Bruder und sein Lieblingsonkel zu den Verwandten gegangen. Er hat sich erst gewundert, dass er gar keine Früchte sieht, dachte sich aber nichts dabei. Sein Onkel ist kurz darauf wieder gegangen. So saßen sein Bruder und er bei den Verwandten auf dem Sofa, begrüßten diese, unterhielten sich bis er gebeten wurde die Tür zu verriegeln. Er hat alle drei Riegel zugeschoben, den Schlüssel umgedreht und wollte sich gerade wieder hinsetzten, als die Stimmung umschlug. Er wurde gefragt von einem Mann, der sich bisher versteckt hatte und den er nicht einmal kannte, ob er nicht der große Bruder sei, gepackt und ins Nebenzimmer geschleppt. Er hat geschrienen, gebrüllt und um sich geschlagen, hatte aber natürlich keine Chance gegen die großen starken Männer, die ihn festhielten und sogar mit einem Stock schlugen. Dann wurde ihm die Hose aufgemacht, runtergezogen und mit einem sehr scharfen Messer die vordere Vorhaut abgeschnitten. Das hätte erstmals gar nicht geschmerzt, die Striemen an seinen Armen von den Schlägen wären in diesem Moment viel schlimmer gewesen. Als sie mit ihm fertig waren, wurde er im Nebenzimmer abgestellt und sein, Bruder, der schon ganz verängstigt war, gepackt. Er hörte dessen Schreie, die immer wieder unterbrochen wurden, da sie ihm anscheinend den Mund zuhielten. Dann kam auch sein Bruder weinend zurück, an seinem Bein sah man eine Blutspur bis runter zu seinem Schuh.

Das war aber nur der erste Teil des Erwachsenwerdens, es folgen noch weitere. Als nächstes, kommt das Wasserausschütten. Zwar weiß man, dass es passiert, kurz nachdem einer der Söhne beschnitten wurde, aber nicht genau wann. An einem Tag klopft plötzlich jemand an die Tür, sie stürmen – kurz nach dem „Karibu“ („Willkommen“) – mit so vielen Eimern kaltem Wasser, das sie tragen können, ins Wohnzimmer und kippt alles aus, über den Tisch, die Betten, den Herd, wenn jemand schläft, dann wird er geweckt, sie werden richtig wütend. Wenn noch anderes Wasser im Haus ist, wird das auch ausgeleert, bis wirklich jeder nass ist. Sind alle Eimer leer, wird gejubelt und geklatscht und die Wasserausleerer ziehen ab. (Ich dachte auch erst, ich hätte ihn nicht ganz verstanden aber noch ein paar Mal nachgefragt, es läuft wohl tatsächlich so ab.)

So der nächste Teil kommt eine Weile später, er heißt das Geschluckt Werden. Oliver selbst meinte tansanische kleine Jungs wären sehr leichtgläubig. Als eine etwas größere Gruppe wurde er mit anderen Jungs in den Urwald geführt. Sie sollten von einem großen Ungeheuer verschluckt werden. Hinter einem Busch stand ein Mann, der eine Trommel so umgebaut hatte, dass man an einem Holz ziehen und schieben kann und es ganz fürchterlich laut heult. Den Jungs wurde angewiesen, sich in einer Reihe aufzustellen. Ihnen wurde erzählt, sie würden jetzt nach einander von einem großen Ungeheuer verschluckt werden. Dann fing der hinterm Busch an zu heulen. Das Geräusch sei So ohrenbetäubend, dass man wirklich Angst bekommen könnte. Dann wurde als erstes „Oliver John!“ gerufen. Das Ungeheuer fing an zu lachen. Er hätte vor Angst gezittert, als er gepackt wurde und Richtung Ungeheuer getragen wurde um dann in dessen Rachen – den Busch – geworfen zu werden, wo er sanft aufgefangen wurde. Als er den Krachmacher sah, war er ziemlich begeistert.

Ein nächstes Ereignis ist, dass die ganze Familie zusammen für einen Monat, wie zu früheren Zeiten im Urwald wohnt. Mit einem Feuer in der Mitte, einem Kreis aus Decken und Matten und außen rum das Gepäck. Es wird viel gesungen und getanzt und die zuletzt beschnittenen Jungs werden als Erwachsene aufgenommen. Ihnen wird von ihren Eltern ein sehr schönes Lied vorgesungen, sie bekommen viele Geschenke und schöne Kleidung und werden gefeiert.

So ich weiß jetzt nicht, ob ich noch was vergessen habe und gebe auch keine Garantie, dass ich alles richtig verstanden habe. Ich fand es auf jeden Fall spannend ihm zuzuhören und wollte es euch auch mitteilen, wie solche Rituale ablaufen. Ich war echt erstaunt und wusste nicht, dass das immer noch so praktiziert wird. In der Stadt wahrscheinlich auch nicht, aber fast jeder Tansanier mit dem ich mich darüber unterhalten habe, wo er herkommt, meinte „Aus einem Dorf in der Nähe von…“.

Gibt es sonst noch was über Mtwala zu berichten? Mtwala wächst sehr schnell, wie alle Städte hier in Tansania. Oliver war seit sechs Jahren nicht mehr dort und hat ziemlich gestaunt, dass die Häuser am Rand nicht mehr am Rand sind und die großen Plätze nicht mehr so groß sind.

Und das wir so viele Mangos gegessen haben, liegt daran, dass sie total lecker sind und dazu noch so günstig. Erst dachten wir, der der sie uns verkauft hat, hätte sich mit dem Preis vertan. Aber an einem anderen Tag waren wir dann auf dem markt und wollten zwei Mangos kaufen. Da wurden wir erst mal blöd angeschaut und der andere meinte, das ginge nicht, da nämlich vier Mangos 50 Tansanische Schilling (ca.2 Eurocent) kosten würden, was die kleinste Münze ist.

 

Also euch allen liebe Grüße. Bin jetzt momentan beim Zwischenseminar auf Sansibar, mir gehts hier echt gut, ist interessant!

Und dann wünsche ich euch allen noch ein schönes Neues Jahr und hoffe ihr habt ein bisschen mehr Feuerwerk gesehen als ich!

Eure Franzi

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