Msiba

Letztes Wochenende war ich meinen Arbeitskollegen Oliver zuhause besuchen und ganz plötzlich wurde er von seiner Schwester Mama Jeni angerufen. Er war jedenfalls sichtbar überrascht. Okay was gibt’s denn jetzt schon wieder, hab ich mir gedacht. Mama Jeni ist verheiratet gewesen mit einem Mann, der sie vor ungefähr einem Jahr verlassen hat. Da er weiterhin in ihrem Haus wohnte und das Auto fährt, gab er ihr jeden Monat etwas Geld zurück. Jetzt war er krank, hatte irgendwas am Kehlkopf und ist überraschender Weise plötzlich gestorben.

 

Sie hatte irgendwie dann Angst alleine zum „Msiba“ (deutsch: „Unglück“, „Leid“, wobei ich es bisher nur im Zusammenhang mit einem Gestorbenen gehört habe) zugehen.

 

Oliver meinte ich könnte ja mitkommen und mir das anschauen. Ich war mir erst nicht so ganz sicher, ob das klar geht und hab ihn erst mal noch etwas ausgefragt. Er meinte es wäre nicht so schön, weil viele Leute weinen würden, aber es könne jeder dort hingehen, auch Leute, die den Verstorbenen nicht kennen. Die ganzen Leute aus der Nachbarschaft und von Sonstwoher würden einfach zur Unterstützung kommen, das wäre vollkommen in Ordnung.

 

Ich dachte mir dann, warum soll ich es mir nicht anschauen gehen, wenn ich das jetzt schon so angeboten bekomme.

 

Von irgendwelchen Nachbarn hab ich mir zwei Kangahälften ausgeliehen, weil die Frauen sich bedecken würden. Ich weiß mittlerweile auch wie man das trägt, kam mir trotzdem recht verkleidet vor…

 

An der Bushaltestelle haben wir dann Mama Jeni getroffen, die eigentlich ganz munter wirkte. Unterwegs ist sie allerdings dreimal Leuten um den Hals gefallen und hat lauthals losgeweint. Mir war die ganze Situation äußerst unangenehm und war froh, dass ich mich unter meinen Tüchern verstecken konnte. Ich bin den beiden sehr schweigsam gefolgt und habe mir das alles angesehen. Als wir dann bei dem Haus von dem Verstorbenen bzw. Mama Jenis altem Zuhause angekommen sind, meinte Oliver, dass die Frauen reingehen würden, die Männer blieben draußen.

 

Einigermaßen eingeschüchtert bin ich Mama Jeni in einen kleinen Raum gefolgt, der bis auf ca. zehn in bunte Tücher gehüllte Frauen und einige Sitzkissen leer war. Ich wusste nicht so recht, was ich sagen und machen sollte und als ich plötzlich in der Mitte des Zimmers stand habe ich mich einfach mal dort auf den Boden gesetzt.

 

Da saß ich dann und hatte viel Zeit alles anzuschauen. Ich hatte keine Ahnung auf was die Frauen warten. Sie schienen sich teilweise nett im Flüsterton zu unterhalten. Bis auf Mama Jeni und noch zwei andere Frauen sahen sie auch nicht sehr unglücklich aus. Ich wusste nicht so recht, wo ich hingucken sollte und wurde weder angesprochen, noch groß angeschaut. Also beobachtete ich die bunt lakierten Fußnägel einer älteren Frau und die Fliegen die darüber liefen, die Fußballspieler neben Jesus auf Riesenpostern an der Wand und belauschte ein Gespräch, worin es aber nur um Handyladekabel ging, die dann später auch mitten im Raum von einem Sharobaro ausprobiert wurden.

Irgendwann hat dann Mama Jeni angefangen mit mir zu reden und als die anderen merkten, dass ich ja Kiswahili spreche wurde ich über alles Mögliche ausgefragt.

 

Irgendwann kam dann Oliver rein um zu fragen ob ich noch Lust hätte. Weil ich mich nicht getraut habe zu fragen, auf was wir denn eigentlich warten würden, hab ich erst mal keine Aussage gemacht. Irgendwie war ich auch neugierig, was denn eigentlich folgen würde, auf was gewartet würde. Als dann aber klar war, dass Mama Jeni da noch bis zum Abend ist, und eventuell sogar dort schläft, sind wir doch aufgebrochen und ich konnte endlich meine ganzen Fragen loswerden.

 

Also was ich dann erfahren habe: Die Leute sitzen da bis der Leichnam kommt, aber der kommt erst am nächsten oder übernächsten Tag. Wären wir an diesem Tag noch länger dageblieben, hätten wir noch was zu essen bekommen. Die Leute würden – wie irgendwie immer – auf das Essen warten… Die Beerdigung wird in Mtwara sein, wo auch Oliver herkommt. Das ist eine ordentliche Reise auf die sich die ganzen Leute begeben. Da Mama Jenis Mann Soldat war, fährt ein Armeebus dort hin. Jeder der mitwill kann kostenlos mitfahren. Er meinte, wenn ich Lust hätte könnten wir ja dort hingehen. Ich weiß nicht, ob er es ernst gemeint hat, aber theoretisch wäre es tatsächlich möglich. Es ist üblich, dass jede Menge Leute bei einer Beerdigung dabei sind. Und wenn man kostenlos reisen und essen kann, dann bietet sich das ja auch an.

 

Und auf meine Frage wovor Mama Jeni denn Angst hätte, war er erst mal erstaunt, dass ich das überhaupt verstanden habe und meinte, dann dass sie die Leute nicht so mögen würden und sie gezwungen sie etwas zu weinen, sonst würden sie schlecht über sie reden.

 

So viel trockene Berichtserstattung, aber wenn ich schon „Utamaduni“ also „Kultur“ unterrichtet werde, dann kann ich das ja auch weiter geben.

 

Bis bald mal wieder!

 

 

 

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